Während der Zweite Weltkrieg in den verschiedenen Medien nahezu umfassend behandelt wird, gibt es für den im Schatten seines Nachfolgers stehenden Ersten Weltkrieg viel weniger mediale Aufmerksamkeit. Eine Ausnahme im Comic bilden da beispielsweise einige preisgekrönte Werke des französischen Künstlers Tardi ("Der Grabenkrieg", "Elender Krieg 1914-1915-1916", "Elender Krieg 1917-1918-1919", erschienen bei Edition Moderne), die den Krieg sehr realistisch darstellen.
Nun ist gerade der Abschlußband einer zweiteiligen Comicgeschichte erschienen, die sich einem eher unbekannten Zwischenfall, einem Nebenschauplatz des Ersten Weltkrieges widmet: Tatort Tahiti 1914
Cover des zweiten Bandes, Quelle: Splitter
Am 22. September 1914 wird die pazifische Insel Tahiti von den beiden deutsche Kreuzern Scharnhorst und Gneisenau angegriffen. Verteidigt wird die Insel von Maxime Destremau, der die wenigen Soldaten auf der Insel und das französische Schiff Zélée befehligt. Neben den historisch begründeten Teil der Geschichte enthält der Comic auch eine Kriminalgeschichte. Vor dem Hintergrund des Krieges werden zwei ermordete Tahitianerinnen gefunden. Kurz vor dem Angriff kommt zudem Simon Combaud auf die Insel, um ein 15 Jahre altes Verbrechen aufzuklären… Eine weitere Rolle spielt der französische Maler Octave Morillot.
Nun ist dieser Comic allerdings eigentlich keine raffiniert ausgeklügelte Kriminalgeschichte, und es ist ist auch kein konventioneller Antikriegscomic (und natürlich schon gar kein Kriegscomic). Die Stärke des Comics liegt woanders. Auch wenn der Vergleich gewaltig hinkt, so ist der Ansatz des Comics doch ein klein wenig ähnlich mit dem des Films "Der schmale Grat" (The Thin Red Line, 1998), in dem visuell und poetisch mit dem Kontrast zwischen Schönheit der Natur und der Gräuel des Krieges gespielt wird. Der Comic ist ein mehrschichtiges Gemälde Tahitis, einem Paradies, das von der westlichen Welt gestört wird. Da sind zum einen die Europäer, die es sich im Kolonialstil auf der Insel gemütlich gemacht haben, die die Freizügigkeit der Tahitianerinnen gerne beanspruchen, aber ansonsten der Insel eher ihre eigene Kultur überstülpen.
Paradies. Beispielseite aus Band 1, Quelle: Leseprobe Splitter
Und zum anderen sind da mit den deutschen Kreuzern neue Eindringlinge. Einmal mehr wird die Sinnlosigkeit und die Unnatürlichkeit des Krieges vorgeführt, aber ohne dass da analysiert wird oder Motivationen zu erklären versucht werden. Der Comic geht dabei eher einen visuellen Weg und zeigt überwiegend schöne Bilder Tahitis die dem Kriegsgeschehen etwas Mächtiges entgegensetzen. Er kontrastiert dabei den Krieg und die Verbrechen auf der Insel mit der Schönheit der paradiesisch anmutenden Insel. Das ist schon eher ungewöhnlich, erwarten würde man hier heutzutage wohl eher eine Geschichte mit überwiegend drastischer und expliziter Kriegsdarstellung. Aber gerade diese unerwartete Herangehensweise macht am Ende den Reiz des Comics aus.
Krieg. Beispielseite aus Band 2, Quelle: Leseprobe Splitter
Dafür sorgen auch der tolle Zeichenstil von Sébastien Morice, der die Stimmung in klassischem Stil gekonnt einfängt, sowie die tagebuchähnlichen Einträge innerhalb der Geschichte. Es ist eben nur ein schmaler Grat zwischen Vernunft und Wahnsinn.
Abgerundet werden die Bände durch redaktionelles Material mit Fakten zu den wahren Begebenheiten und auch zu Entstehung des Comics, das man auch im Zusammenang mit der eigentlichen Geschichte lesen sollte.
Tatort Tahiti 1914
Buch 1: Roter Strand
Buch 2: Blauer Horizont
jeweils:
von Didier Quella-Guyot und Sébastien Morice
Splitter-Verlag
Hardcover, 72 (T.1) und 56 (T.2) Seiten, farbig, 14.80 EUR