Alle Prado-Fans können sich über eine neue (laut folgendem Pressetext 'erste' ) Graphic Novel aus der Feder des ev. bedeutendsten spanischen Comickünstlers freuen:
"Diese erste Graphic Novel von Miguelanxo Prado (Anm.: es handelt sich um sein neuestes Werk) beschäftigt sich mit dem persönlichen Erinnern. Dem Erinnern als Essenz unserer Existenz, als die Wahrnehmung unseres eigenen Lebens. Das mag sich philosophisch anhören, aber letztendlich handelt sie doch von einer Handvoll Menschen, die sich gegenseitig helfen oder verletzen, einige von ihnen verlieben sich ineinander, andere klammern sich an ihre Erinnerungen um deren Versiegen zu vermeiden.Wir sind, was wir erinnern. Aber die Erinnerung ist kein objektives und unveränderliches Register. Sabela versucht durch Fidels Erinnerungen eine Geschichte wieder zusammenzubauen, einen Teil ihrer eigenen Geschichte. Doch immer mehr Fäden und andere Personen und andere Erinnerungen verweben sich in diesen Versuch einer Rekonstruktion. Weil wir auch das sind, an was die anderen sich erinnern. Und in diesen Erinnerungen gibt es Liebe und Zuwendung, Ablehnung und Hass. Deshalb ist das Erinnern nicht harmlos. Doch wer sich nicht erinnert, lebt nicht.Durch die faszinierende, kreidestrichartige Maltechnik Prados und ergänzt durch vereinzelte Landkarten, Notizzettel, Buch-Auszüge oder offizielle Dokumente ist die Geschichte trotz des Anspruchs eine leicht zu lesende und gut verständliche, großartige Graphic Novel ."
– Pressetext ECC
Mein Fazit: ein beeindruckendes Buch, das Ihr am besten mal selber lesen solltet, verderbt Euch nicht die Überraschung, in dem Ihr zuviel vorab über den Band lest.
Trivia: Obwohl der Band als erste Produktion des neuen Labels "Egmont Graphic Novel" angekündigt war, erschien er nun doch unter dem alten Label "Ehapa Comic Collection".
von Miguelanxo Prado
Ehapa Comic Collection
Hardcover, 256 Seiten, farbig, 29.99 EUR
Die Frage, wer man ist, wird vor allem durch die Erinnerung bestimmt. Durch die eigene – und die, die andere an uns haben. Aber je länger etwas zurückliegt, desto schwerer fällt es, vergangene Ereignisse von den im Laufe der Jahre dazu gesponnen Wünschen und Fantasien zu trennen.
Der alte Fidel kann sich noch gut erinnern. Vor allem, wenn der Ardalén weht – ein Wind aus Südwest, der an der europäischen Atlantikküste übers Land streicht. Dann sitzt Fidel am Rande seines kleinen spanischen Dorfes, weitab vom Meer, hört die Walfische singen und sieht sie aus dem kleinen Wäldchen am Dorfrand aufsteigen. Und mit ihnen steigen die Erinnerungen seiner Jugend auf – als er als Matrose die halbe Welt befahren und drei Schiffsuntergänge überlebt hat.
Aber sind das seine Erinnerungen? Oder hat der Ardalén sie mit denen fremder Menschen vermischt? Die Leute im Dorf behaupten, man könne nicht alles glauben, was Fidel erzählt. Trotzdem schicken sie die fremde Frau, die etwas über ihren Großvater erfahren will, der von hier vor Jahrzehnten nach Kuba ausgewandert ist, mit ihren Fragen ausgerechnet zu ihm.
Miguelanxo Prado liefert mit Ardalén ein Album ab, das sich auf poetische, aber nicht unrealistische Weise mit der Frage der Erinnerung beschäftigt. Die Idee dazu entstand zur gleichen Zeit wie die zu De Profundis, die Zeichnungen in Ardalén sind allerdings detailfreudiger. Die Mienen seiner Figuren spiegeln ihre Charaktere mit einer so derben Klarheit, wie man das auch aus den Alben von Baru kennt. Auch Prados Bilder sind lebensnah, werden aber in Szenen, in denen es um Erinnerungen geht, mit einer gehörigen Portion Phantastik angereichert. So entstehen Atmosphären und Seiten, die man lange ansehen kann (schon das Cover ist genial), und die wunderbar mit den melancholischen und philosophischen Untertönen der Erzählung korrespondieren. Ein Album, das dem Begriff Graphic Novel alle Ehre macht, und auch einiges an Spannung zu bieten hat. In jeder Hinsicht erstklassig.