Bei Schreiber und Leser ist der erste Band eines Comics aus Osamu Tezukas Spätwerk von 1973 erschienen.
Auch in Japan hatten die 68er ihre Spuren hinterlassen. Der Manga hatte sich empanzipiert. Neue Genres entstanden. Die Szenarios wurden realistischer. Und Tezuka, der immer schon mit den verschiedenen Stilen expermentiert hatte, musste sich, nachdem gerade seine Filmfirma pleite gegangen war, neu orientieren.
Und so ist dies dann auch die Geschichte eines Schriftstellers in seiner Schaffenskrise. Der „Held“, auf der Suche nach seiner Vergangenheit, seiner ersten Geschichte – natürlich von einer Frau verkörpert – begegnet u.a. in einem Kapitel, in einer kleinen Zwischenszene, Kimba, dem Löwen. Eher widerwillig nimmt er dabei die Begleitung von Barbara, einer jungen Rumtreiberin, in Kauf. Zusammen stolpern die beiden durch „eine absurde, dämonische Welt ohne Anstand, Scham und Moral“. Alles Elemente, wie sie auch Romanen von Kerouac oder Salinger entsprungen sein könnten und durchaus die üblichen Themen dieser Zeit: der Weg nach Innen, die Suche nach der Mitte, ein Egotrip. Nur dass diese speziell japanische Variante einen Charme und Komik entfaltet, wie sie westlichen Romanen nur selten eigen ist. Typisch japanisch ist sie mit Symbolen nur so überhäuft, wie z.B. Barbaras Mutter, die wie eine Fruchtbarkeitsgöttin aussieht und sich als Mnemosyne vorstellt. Manchmal etwas sehr deutlich und manchmal einfach nur skurril, wenn z.B. eine Frau, die der sexbesessene Schriftsteller begehrt, sich am Ende als Hund entpuppt. Das ist sicherlich auch explixit, aber so waren sie die 70er Jahre. Nur sexistisch ist dies nicht und ganz sicher spannender und auch ehrlicher, als sagen wir mal Barbarella.
Warum „Barbara“, fragt der grosse Meister am Ende des Bandes und gibt uns einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Werkes, sein literarisches Vorbild. Aber warum, so frage ich mich, braucht es darüber hinaus noch die Bemerkung des Verlages, dass so manches nicht mehr zeitgemäss und politisch unkorrekt sei. Sicherlich, die Gewalt, die der „Held“ des öfteren gegen Barbara aufbringt ist schon schwer erträglich, aber traut der Verlag seinen Lesern selbst so wenig Distanz zur Geschichte zu. Oder hat er einfach nur Angst um den wirtschaftlichen Erfolg. Das wäre schade. Sind doch in letzter Zeit einige wirklich guten Werke bei s&l erschienen, wie z.B. „Sun Village“ und „Sky Hawk“. Ich würde mich freuen, mehr davon (auf deutsch) lesen. Und es wäre schön, wenn auch hierzulande ein differenziertes Bild von Mangas – jenseits der Kulleraugen – entstehen könnte.
Update: Inzwischen ist der zweiten Teil von „Barbara“ auf deutsch erschienen. Die Geschichte ist etwas „ernsthafter“ geworden – der Held beabsichtigt nun sogar eine Heirat – aber letztlich geht es um nichts geringers als den Wert eines Kunstwerkes für die Nachwelt. Und so frage ich mich jetzt, ob die Anmerkungen am Ende nicht eine subtile Art japanischer Ironie darstellen. Wahrscheinlich nicht. Aber schö‘ war’s trotzdem.
P.S.: Wer sich darüber hinaus für das Leben und Werk von Tezuka interessiert, dem sei das sehr schöne Buch von Helen McCarthy: „The Art of Tezuka“ empfohlen, das dieses Jahr auch einen Harvey Award gewonnen hat.
Osamu Tezuka: Barbara 1+2
Softcover, 208/240 Seiten, schwarz-weiss, je 14,95 EUR