André Franquin, langjähriger Zeichner von Spirou und Fantasio, Schöpfer von Gaston und des Marsupilamis, Maurice de Bévère aka Morris, Zeichner und teilweise auch Autor von Lucky Luke, sowie der hierzulande etwas weniger bekannte, aber kürzlich von der ECC mit der Herausgabe der Gesamtausgabe der "Jerry Spring"-Westernserie gewürdigte Joseph Gillain aka Jijé gelten als drei der wichtigsten und einflussreichsten Comickünstler des 20. Jahrhunderts. Neben Ihrem künstlerischen Einfluß verbindet die Drei jedoch noch eine Geschichte – sie reisten 1948 gemeinsam in die USA und anschließend nach Mexiko, und verbrachten dort mehrere Jahre.
In Gringos Locos erzählt Szenarist Yann zusammen mit Zeichner Schwartz eben diesen Lebensabschnitt der Comicschaffenden, der erste Band der zweiteiligen Serie ist soeben bei Carlsen erschienen. Wie in einem Roadmovie schildert Yann die turbulenten Geschehnisse, eine Geschichte die er auf Grundlage persönlicher Gespräche mit Franquin und Morris zu deren Lebenszeiten konstruiert hat.
In Belgien hat der Comic einige Wogen geschlagen. Verwandte von Franquin und Morris distanzierten sich öffentlich von der Darstellung. Und so enthält das Album einleitend auch gleich den Hinweis, dass jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen rein zufällig wäre. Vorsichtshalber. An die 48-seitige Geschichte schließt sich eine Interview mit Yann an, der erläutert wie er beispielsweise von Franquin über diese wilde Zeit in den 40er erfahren hat. Er verschweigt jedoch auch nicht, dass seine Kenntnisse lückenhaft sind, oder dass selbst Franquin in seinen Berichten auch gerne mal mehrere, eigentlich einzelne Geschehnisse zu einer einzigen Anekdote im Sinne einer besseren Pointe zusammenfasste.
Daran schließen sich Gegendarstellungen an, die Tochter Franquins und der Sohn Jijé kommen zu Wort, und schildern u.a. warum sie die Darstellung der Figuren für verfremdet oder unangemessen halten.
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Der Comic ist eben doch "nur" eine Geschichte, ein Mythos mit einer Dosis Wahrheit. Ob "zum Glück" oder "leider" darf jeder Leser für sich selbst entscheiden. Franquin, Morris und Jijé hätten vermutlich genauso viel Spaß an dem Comic, wie ich. Das ist natürlich eine reine Vermutung. Vorsichtshalber.
Im Gegensatz zu der Ankündigung des Bandes, der laut Pressetext "die Lachmuskeln auf eine harte Probe stellt", ist der Band übrigens garkeine Schenkelklopfer-Comedy, sondern lebt vor allem durch seinen feinen Humor, durch die vielen kleinen Anspielungen, seiner Mischung aus modernem Comic und Retrostyle.
Gringos Locos
von Schwartz und Yann
Carlsen
Softcover, 64 Seiten, in Farbe, 12.00 EUR
Von dem Album gibt es auch eine auf 250 Exemplare limitierte Luxusausgabe in Hardcover, mit zusätzlichem Skizzenmaterial:
Gringos Locos – VZA
von Schwartz und Yann
Salleck Publications
Hardcover, 80 Seiten, in Farbe, 49.00 EUR