Eine neue Perle der Retro-Futuristik hat sich kürzlich bei uns im Laden materialisiert. Die Rede ist vom Start der neuen Serie Univerne. Und auch auf die Gefahr, dass sich unser Blog langsam zu einem Special-Blog für Retrofuturistik und Steampunk entwickelt, will ich Euch den neuesten Streich dieser Gattung hier vorstellen.
Was wäre, wenn Jules Verne nicht der Schriftsteller geworden wäre, den wir alle kennen. Was wäre, wenn ein Schuss die Geschichte geändert, und Verne seine geistigen Fähigkeiten ganz anders eingesetzt hätte? Jules Verne gründet unter dem Pseudonym Nemo zusammen mit anderen modernen Denkern nach einem gemeinsamen Idealbild die Stadt Univerne, die durch Fortschritt und Modernität geprägt ist. Den konservativen Kolonialmächten war diese Stadt ein Dorn im Auge, die Stadt wird belagert und endgültig besiegt und geplündert. Unter anderen wird der Eifelturm, ursprünglich in Univerne errichtet geraubt und als Siegestrophäe in Paris zur Weltausstellung zur Schau gestellt. Soviel zum geistigen Überbau der Geschichte, die eigentliche Handlung beginnt nun zu Beginn eben jener Weltausstellung. Mit von der Partie sind neben der Hauptprotagonistin Juliette Henin (Redakteurin der feministischen Zeitschrift "La Fronde") Jules Vernes Frau, Nicolas Tesla, Thomas Edison, ein Frankensteinähnliches Monster, Cyber-Attentäter, u.v.m.
Univerne von Autor Morvan (Sillage, Spirou) ist kein Comic, der konventionell erzählt und alle Fragen beantwortet. Es ist vor allem ein visueller Rausch in überbordenen Bildern, der Leser wird mitten in die Geschichte geworfen, um sich in einer Achterbahnfahrt durch die Geschichte des späten 19. Jahrhunderts widerzufinden. Zugleich werden die vorbeirauschenden Sehenswürdigkeiten erklärt, und parallel werden im freien Fall die wahren historischen Fakten des 19. Jahrunderts umgekrempelt. Angehalten wird nicht. Besonders interessant ist hier das Pariser Stadtbild in der alternativen Realität. Ein interessanter, eigenwilliger, erfrischend respektloser Erzählstil, bei dem der Hintergrundgeschichte mehr Raum eingeräumt wird als den Protagonisten. Für Multitasking-fähige Gehirne, für Leute, die sicher gerne darauf einlassen. Eine unglaublich breite Kulisse wird hier aufgebaut, ich bin sehr gespannt wie das wohl weiter gehen mag, die Serie ist auf drei Teile angelegt.
Einen Einblick in das vielfältige Artwork des Zeichners Alexandre Nesmo, der mit Univerne hierzulande debütiert, könnt Ihr Euch auch unter nesmosfactory.blogspot.de verschaffen.
Univerne, Band 1 – Paname
von Jean-David Morvan und Alexandre Nesmo
Splitter
Hardcover, 48 Seiten, farbig, 13.80 EUR