Gerade habe ich Waisen 2 (CrossCult) gelesen. Waisen ist eine Military-Science Fiction mit gewissen psychologischem Tiefgang.
Ein Teil der Weltbevölkerung wird von Aliens ausgelöscht. Das Militär rekrutiert nun Kinder von Opfern – also Waisen. Diese werden nicht gerade zimperlich trainiert und manipuliert, und später auf fremden Planeten in den Einsatz geschickt. Am ehesten kann man es noch mit "Enders Game" oder mit "Starship Troopers" (ich beziehe mich auf den ersten Spielfilm) vergleichen.
Die Story ist extrem gut und sehr spannend geschrieben. Ähnlich wie bei bei Stephen Kings "Es" läuft die Handlung wechselnd auf zwei verschiedenen Zeitebenen – aber nie auseinander. In einem Erzählstrang wird die Entwicklung der Kinder zu Elitetroopers erzählt, in dem zweiten Strang sind die Waisen – inzwischen Erwachsene – bereits im Einsatz. Kamikaze-Action wechselt sich mit durchaus komplexen und nicht schwarz-weißmalerischen Beschreibungen und Entwicklungen der Figuren und des Militärapparats ab. Die Geschichte entwickelt dabei einen doppelten Boden: lässt Du Dich von der Action mitreißen, wirst Du auch bald wieder mit einem Punch auf den Boden der Tatsachen geholt. Alles hat seinen Preis.
Über die Motivation der Aliens wird man auch im zweiten Band immernoch im Unklaren gelassen. Kommunikation zwischen den Menschen und Aliens findet nicht statt. Aber zumindest gibt es erste Lösungsansätze für eine seltsame Fähigkeit der Aliens: diese können scheinbar aus dem Nichst auftauchen und ebenso wieder verschwinden. Dieses Rätsel scheint nun gelöst. Ich bin gespannt, wie die Geschichte weiter geht.
Waisen setzt bislang kein höheres Statement, und ich muss sagen – das gefällt mir auch mal ganz gut. Es ist kein Kriegscomic, es ist aber auch kein Antikriegscomic. Es ist gute Unterhaltung, die eben Spaß macht, weil sie intelligent gemacht ist und das Genre, wie auch Plott- als auch Charakterentwicklung beherrscht. Das alleine ist heute ja schon auf dem Niveau selten genug. Trotz allem Overacting und der Science Fiktion ist das Handeln der Figuren plausibel. Obwohl die Troopers smart sind und durchaus erfolgreich gegen die Aliens kämpfen, sind sie psyschisch zu "beschädigt", als das dies als Kriegsverherrlichung (wie man sie gelegentlich in anderer Military SF findet) durchgehen könnte. Und obwohl alle Ihren Preis zahlen müssen, besteht keine Frage darüber, dass man den Aliens ordentlich in das Xenogesäß treten muß. Eine recht ambivalente Darstellung der Survival-Situation – ohne moralischen Zeigefinger – und eine m.E. ziemlich realistische "What if" – Einschätzung, wie man sie in guter Non-Utopia Science Fiction ohne Idealvorstellungen findet. Ich wage hier mal einen Vergleich zu der exzellenten (neueren) "Battlestar Galactica" TV-Serie, auch wenn jetzt erstmal nur zwei Bände vorliegen.
Waisen ist ein italienischer Comic von den Künstlern Emiliano Mammucari, Massimo Carnevale und Roberto Recchioni, grafisch souverän und zugänglich umgesetzt, mit Bildern, die sich an der richtigen Stelle Zeit nehmen, und die das zeigen, was wir SF-Fans sehen wollen.
CrossCult produziert die rund 200 Seiten dicken Bände in schönen HC Ausgaben für taschengeldfreundliche 16.80 EUR. Der erste Zyklus umfasst 6 Bände (im Original 12 Teile, die deutschen Bücher sind jeweils Doppelbände). Am Ende gibt es immer etwas Bonusmaterial. Außerdem wird die Serie zügig im Zwei-Monats-Rhythmus fortgesetzt: Band 3 kommt bereits Anfang September. Eine vorbildliche Veröffentlichungsweise von CrossCult.
Noch Fragen? Seite aus Waisen Band 1. Bildquellen: CrossCult, Online-Leseproben